Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)
Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ist eine Reform des deutschen Bilanzrechts, die am 29. Mai 2009 in Kraft trat[1] und deren Anwendung ab dem 01.01.2010 zu erfolgen hat.[2] Durch diese Reform ist das Handelsgesetzbuch (HGB) in vielen Punkten überarbeitet worden und gilt daher auch als die umfassendste Novellierung der deutschen Rechnungslegung seit 25 Jahren. Das zentrale Ziel des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes ist es, eine Grundlage zur Anpassung des deutschen Bilanzrechts an die internationalen Rechnungslegungsstandards zu schaffen. Darüber hinaus soll die Aussagekraft des HGB-Abschlusses verbessert werden.[3]
Die aus der Bilanzrechtsreform resultierenden Änderungen im HGB haben nicht nur Einfluss auf die Rechnungslegung, sondern wirken sich auch auf das Tätigkeitsfeld des Controllers aus.[4] Die Umstellung des Bilanzrechts hat zur Folge, dass eine Aktualisierung sowie eine Erweiterung von Controllingaufgaben erforderlich werden. Zum einem erhöhen sich mit dem BilMoG die Berichtspflichten einer Unternehmung; zum anderen wird eine Reorganisation des internen Steuerungssystems erforderlich.[5] Auf diese Weise kann es zu einer deutlichen Zunahme von Datenanalysen, Informationsbereitstellungen sowie Daten- und Informationslieferung kommen.[6]
Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz haben sich unter anderem folgende Änderungen ergeben, von denen auch der Bereich des Controllings betroffen ist:
- Bei selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen besteht nach der Reform ein Wahlrecht, Entwicklungskosten zu aktivieren. Allerdings sind einige selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände vom Ansatz ausgenommen: Aufwendungen für die Gründung eines Unternehmens, Beschaffung des Eigenkapitals sowie nicht entgeltlich erworbene selbst geschaffene Marken, Drucktitel oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.[7]
- Bei der Ermittlung der Herstellungskosten ist es durch das BilMoG nicht mehr zulässig eine Verrechnung von Teilkosten durchzuführen. Infolgedessen erfolgt die Herstellungskostenermittlung lediglich nach dem Vollkostenverfahren. Dies bedeutet, dass neben den Einzelkosten auch die Gemeinkosten in die Ermittlung einzubeziehen sind.[8]
- Die Bewertung von Rückstellungen ist nach der Novellierung mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen,[9] der zukünftige Preis- und Kostenschwankungen mit berücksichtigt.[10] Dazu erfolgt eine Diskontierung der Rückstellungen, sofern sie eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr haben,[11] zur Ermittlung des Erfüllungsbetrages werden die von der Deutschen Bundesbank monatlich veröffentlichten Abzinsungszinssätze herangezogen.[12]
- Bei latenten Steuern gibt es nun ein Aktivierungswahlrecht zur Bildung von aktivischen latenten Steuern.[13] Aktivische latente Steuern bilden eine temporäre Differenz, die als Folge von unterschiedlichen Wertansätzen in der Handels- und Steuerbilanz entstanden sind und somit eine Steuerentlastung darstellen.[14] Seit dem 01.01.2010 ist es zwingend erforderlich, dass latente Steuern auf Verlustvorträge gebildet werden, sofern es in den nächsten fünf Jahren zu einer Steuerentlastung kommt.[15]
Die genannten Änderungen lassen vermuten, dass die Anforderungen an den Controller steigen.
- Durch das Aktivierungswahlrecht von Entwicklungskosten hat der Controller als Datenlieferant die Aufgabe, die Grenze zwischen Forschung und Entwicklung zu ermitteln und zu dokumentieren. Hier ist es wichtig zu wissen, wo die Forschung endet und wo die Entwicklung beginnt. Dies erfordert ggf. eine Anpassung der Kostenrechnung, um die Aufwendungen möglichst präzise zu berechnen, damit eine eindeutige Bewertung der Entwicklungskosten erfolgen kann.[16]
- Zur Ermittlung von Herstellungskosten werden Gemeinkosten einbezogen. Um Gemeinkosten bzw. Gemeinkostenzuschläge zu berechnen, werden Daten aus der Kosten- und Leistungsrechnung benötigt. Dabei müssen die Daten aus dem internen Rechnungswesen mit den Vorschriften des HGB konform sein. Dadurch steigt der Datenerhebungsaufwand des Controllers .[17]
- Durch die Neuregelung der Bewertung von Rückstellungen wird Unterstützung zur Informationsbereitstellung aus dem Controlling benötigt. Hierbei werden sowohl Informationen über die von der Bundesbank veröffentlichten Zinssätze als auch die Kostentrends, wie z. B. von Gehältern und Renten erforderlich.[18] Insgesamt bedarf es an „Prognose- und Planungsinstrumente aus dem Controlling“[19] für die Bewertung von Rückstellungen zum Erfüllungswert.[20]
- Im Zuge der Änderung der latenten Steuern ist es für den Bilanzierenden erforderlich Prognosen zu erstellen, um die mögliche künftige Verlustnutzungspotenziale vorherzusagen und antizipieren zu können. Um dieses zu verwirklichen, werden Daten und Informationen aus dem Controlling benötigt, die sicherstellen, dass es in den nächsten fünf Jahren zu einer Steuerentlastung kommen wird.[21] Das heißt, hier werden Planungsrechnungen des Controllings benötigt, um aktivische latente Steuern zu berechnen und mit diesen zu planen.[22] Auf diese Weise wird es möglich, dass die Abbildung über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage eines Unternehmens im handelsrechtlichen Jahresabschluss verbessert wird.[23]
Das deutsche Bilanzrecht hat durch das BilMoG viele Änderungen erfahren. Dies verändert das Zusammenspiel zwischen Bilanzern und Controllern.[24] Zum einen haben die Änderungen bei Entwicklungskosten, Rückstellungen und latenten Steuern eine Steigung der Komplexität von Datengenerierung für die Rechnungslegung – die durch das Controlling aufbereitet wird – verursacht. Zum Anderen wird eine Anpassung im Kostenrechnungssystem notwendig, da für die Ermittlung der Herstellungskosten unterschiedliche Wertbasen benötigt werden.[25]
Zusammenfassend kann man sagen, dass neue Tools, weitere Daten- und Erhebungs- sowie Dokumentationssysteme erforderlich sind. Dadurch wird die wechselseitige Abhängigkeit von Bilanzern und Controllern größer.[26]
- [1] Vgl. Baetge, J./ Kirsch, H.-J./ Thiele, S.: Bilanzen, 10. Aufl., Düsseldorf, 2009, S. V
- [2] Vgl. www.deloitte.com/view/de_DE/de/focus-on/bilmog/index.htm, Stand: 03.02.2011
- [3] Vgl. Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“: Zentrale Änderungen der Rechnungslegung nach dem neuen HGB, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, Haufe 2009, S. 21 ff.
- [4] Vgl. Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, H. 2, 2009, S. 43
- [5] Vgl. Eberlein, J.: Betriebliches Rechnungswesen und Controlling, 2. Aufl., München, 2010, S. 4
- [6] Vgl. Klein, A./ Krimpmann, A.: BilMoG - Basiswissen für den Controller, in: Controller Magazin, H. 5, S. 19
- [7] Vgl. Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“: Zentrale Änderungen der Rechnungslegung nach dem neuen HGB, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, Haufe 2009, S. 27 f.
- [8] Vgl. Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Internationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009, S. 63
- [9] Vgl. ebd., S. 29
- [10] Vgl. Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, H. 2, S. 45
- [11] Vgl. Lorson, P./ Melcher, W./ Zündorf, H.: Controller-spezifische Auswirkungen des BilMoG im Überblick, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, 2009, S. 56
- [12] Vgl. Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Internationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009, S. 29
- [13] Vgl. Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“: Zentrale Änderungen der Rechnungslegung nach dem neuen HGB, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, Haufe 2009, S. 29
- [14] Vgl. Baetge, J./ Kirsch, H.-J./ Thiele, S.: Bilanzen, 10. Aufl., Düsseldorf, 2009, S. 533
- [15] Vgl. Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Internationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009, S. 63
- [16] Vgl. Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, H. 2, 2009, S. 44
- [17] Vgl. Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Internationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009, S. 63
- [18] Vgl. Lorson, P./ Melcher, W./ Zündorf, H.: Controller-spezifische Auswirkungen des BilMoG im Überblick, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, 2009, S. 56 f.
- [19] Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, H. 2, 2009, S. 46
- [20] Vgl. ebd., S. 46
- [21] Vgl. Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Internationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009, S. 63
- [22] Vgl. Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, H. 2, 2009, S. 46
- [23] Vgl. Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Internationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009, S. 63
- [24] Vgl. Lorson, P./ Melcher, W./ Zündorf, H.: Controller-spezifische Auswirkungen des BilMoG im Überblick, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, 2009, S. 63
- [25] Vgl. Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, H. 2, 2009 S. 47
- [26] Vgl. Lorson, P./ Melcher, W./ Zündorf, H.: Controller-spezifische Auswirkungen des BilMoG im Überblick, in: BilMoG und Controlling, ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.), München, 2009, S. 63
- Baetge, J./ Kirsch, H.-J./ Thiele, S.: Bilanzen, 10. Aufl., Düsseldorf, 2009
- Eberlein, J.: Betriebliches Rechnungswesen und Controlling, 2. Aufl., München, 2010
- Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“: Zentrale Änderungen der Rechnungslegung nach dem neuen HGB, in: ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.): BilMoG und Con-trolling, München, 2009
- Fülbier, R. U./ Kuschel, P./ Maier, F.: BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) – Inter-nationalisierung des HGB und Auswirkungen auf das Controlling, Weinheim, 2009
- Klein, A./ Krimpmann, A.: BilMoG – Basiswissen für den Controller, in: Controller Magazin, 2009, H. 5
- Krimpmann, A./ Müller, S.: Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf das Controlling, in: Controller Magazin, 2009, H. 2
- Lorson, P./ Melcher, W./ Zündorf, H.: Controller-spezifische Auswirkungen des BilMoG im Überblick, in: ICV-Facharbeitskreis „Controlling und IFRS“ (Hrsg.): BilMoG und Controlling, München, 2009