EVM-Fertigungsmethode

1. Definition

Die Fertigstellungswertmethode (Earned Value Management) gehört zu den Werkzeugen des Projektmanagements und ist ein "aussagekräftiges Verfahren zur […] Kosten - und Leistungskontrolle"[1]  von Projekten. Das dazugehörige Rechnungsverfahren ist die Fertigstellungswertanalyse (Earned Value Analysis),[2] mit dessen Hilfe "anhand von wenigen messbaren Größen und den daraus abgeleiteten Kennzahlen, ein Überblick über den aktuellen Stand eines Projekts, bezüglich der Termin - und Budgeteinhaltung"  , verschafft wird.

Es vergleicht die drei wichtigsten Komponenten dieses Verfahrens: Geplanter Wert (Planned Value), Fertigstellungswert (Earned Value) und Ist-Kosten (Actual Cost) miteinander,  [3]  um folgende Fragen beantworten zu können:

  • "Wie hoch sind die tatsächlichen Kosten? (Ist-Kosten)" [4]
  • "Wie hoch dürften die Kosten der erbrachten Leistung laut Plan sein?"  [5] (Fertigstellungswert)
  • "Wie hoch dürften die Kosten bei planmäßigem Verlauf sein?" [5] (Geplanter Wert)
  • "Verläuft das Projekt wirtschaftlich?" [5] (Vergleich von Ist-Kosten und Fertigstellungswert)
  • "Wird die geplante Leistung erbracht?" [5] (Vergleich von Fertigstellungswert mit Geplantem Wert)

Konkrete Entscheidungen gibt die Fertigstellungswertmethode jedoch nicht vor; sie zeigt nur Optionen auf. [6]    

2. Historische Entwicklung

 Bis 1996 wurden diese Kriterien fast nur von der amerikanischen Regierung genutzt, da sie sehr kompliziert waren und vom privaten Sektor deshalb gemieden wurden. Aufgrund dieser Tatsache wurde zwischen 1996 und 1998 eine benutzerfreundlichere Version der C/SCSC entwickelt, die nur 32 Kriterien enthielt und als Fertigstellungswertmethode bezeichnet wurde. Die Worte geplanter Wert und Fertigstellungswert legte dieses Dokument, das im Juni 1998 unter dem Namen ANSI/EIA-748-1998 Guide (American National Standard Institue/Electronic Industry Asscoiation) eingeführt wurde, ebenfalls fest.  [9]

Die frühesten Anfänge der Fertigstellungswertmethode sind am Ende des 19. Jahrhunderts zu finden, als amerikanische Ingenieure zur Effizienzmessung ihrer Arbeit ein System nutzten, das vergleichbar mit der heutigen Fertigstellungswertmethode war.

Die eigentliche Einführung dieses Verfahrens war jedoch erst in den 1960ern. Eines der ersten Computerprogramme zur Planung von Projekten war PERT (Program Evaluation Review Technique) und konnte aufgrund von einem Mangel an adäquaten Computern nicht wie gewollt eingesetzt werden. Die Weiterführung dieses Programms, die 1962 eingeführt wurde, nannte man PERT/Costs. Dieses Programm konnte die Zeitdauer und die Kosten eines Projekts berechnen. Da das Computerproblem jedoch noch bestand, war auch hier die Anwendung kompliziert.

Die beiden PERT Programme sind aufgrund dessen nach kurzer Zeit vom Markt verdrängt worden, bildeten aber den Anfang für die im Jahr 1965-1967 entwickelten Kriterien C/SCSC (Cost/Schedule Control Systems Criteria). Diese vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium eingeführten 35 Kriterien zur Beschreibungen einer Projektstrukturierung und der Fortschrittsmessung mit der Fertigstellungswertmethode, [7] wurden als Pflichtauflagen für alle Auftragnehmer festgelegt. [8]

3. Aufgaben

Die Fertigstellungswertmethode soll helfen, Projekte besser zu managen, indem es dem

Management präzise, verlässliche, quantitative und beständige Daten zur Verfügung stellt, die einen guten Überblick über die verschiedenen Projekte eines Unternehmens geben. [10]

Dabei müssen die drei Einschränkungsfaktoren eines Projekts: Zeit, Kosten und Qualität so ausgeglichen werden, dass die Bedürfnisse der Stakeholder erfüllt sind, die oft zwei der drei Faktoren als wichtiger ansehen. [12

Normalerweise hat die Festlegung eines Faktors Auswirkungen auf einen der anderen Faktoren. Das bedeutet, wenn das Projekt zum vorgegebenen Termin fertig sein muss, obwohl bereits eine Zeitverzögerung eingetreten ist, so kann dies oft nur durch geringere Qualität oder höhere Kosten erreicht werden. [13]

Außerdem müssen die Arbeitspakete eines Projekts in einem detaillierten Projektstrukturplan festgehalten werden, um eine Grundlage für spätere Vergleiche zu schaffen. [14] Hierbei muss darauf geachtet werden, dass die Arbeitspakete nicht zu klein definiert werden, da die Datenerfassung während des Projekts sonst sehr aufwendig werden würde. Zu grob dürfen sie jedoch auch nicht definiert sein, da ansonsten Unklarheiten bei der Aufgabenverteilung auftreten können. [15]

Des Weiteren muss im Laufe des Projekts kontinuierlich der Fortschrittsgrad der einzelnen Arbeitspakete und die dazugehörigen Ausgaben festgehalten werden, um aussagekräftige Daten bei der Berechnung der einzelnen Kennzahlen zu erhalten. [16]

Die Fortschrittsangaben basieren dabei oft auf Schätzungen, da genaue Angaben meist nicht möglich sind und die Datenerfassung sehr aufwendig ist.

Zuletzt müssen die Ist-Kosten ermittelt werden, um eventuelle Abweichungen vom Betrachtungszeitpunkt zum Plan errechnen zu können. [16]

Durch die Vorhersagen, die über die endgültigen Kosten und den Endtermin auch während des Projekts gemacht werden können, fungiert die Fertigstellungswertmethode auch als Warnsignal

für eventuell auftretende Abweichungen vom Plan und gibt Aufschluss darüber, ob diese noch behoben werden können. [17]

 

Abbildung 1: Magisches Dreieck[11]

4. Vergleich zwischen traditioneller Projektplanung und der Fertigstellungswertmethode

Bei der traditionellen Projektplanung werden nur zwei Kostenwerte, nämlich der geplante Wert und die Ist-Kosten zur Bewertung des Projektstands genutzt. Es zeigt also nicht den wirklichen Wert der fertigen Arbeit an.

Ein Beispiel verdeutlicht das Problem, das in der Bewertung ohne den Fertigstellungswert besteht:

Bei der traditionellen Planung hätte das Projekt keine Abweichung vom Plan zu verzeichnen und wäre somit innerhalb der Kosten - und Terminplanung. Bei der Fertigstellungswertmethode wird jedoch festgestellt, dass der Wert der erbrachten Arbeit unterhalb des Plans liegt. Das heißt, es wurde für eine Arbeit im Wert von 200€, 300€ bezahlt, also 100 € zuviel ausgegeben bzw. es wurde nur einen Wert von 200 € anstatt der geplanten 300 € geschaffen. [18]

5. Instrumente

Die Fertigstellungswertmethode arbeitet mit drei unterschiedlichen Kostenwerten.

Der geplante Wert (Planned Value, PV) gibt den Wert der Arbeit wieder, der zum Betrachtungszeitpunkt fertig sein sollte. [19] Er ergibt sich durch Subtrahieren der zurückgelegten Gelder für das Risikomanagement oder für andere, noch nicht zugeordnete Aktivitäten, von dem gesamten Projektbudget. Basierend auf die geplante Arbeit und die geplanten Kosten für Ressourcen, spiegelt er die erwarteten Ausgaben wider. [20]

Der Fertigstellungswert (Earned Value, EV) gibt den aktuellen Wert der zum Betrachtungszeitpunkt erbrachten Arbeit wieder.[21]  Hierzu benötigt man die Arbeit, die tatsächlich erbracht wurde und den Verbrauch des Budgets für diese Arbeitsleistung.[22]

Die letzten einzubeziehenden Kosten sind die Ist-Kosten (Actual Cost, AC). Dies sind die Kosten zum jetzigen Zeitpunkt, die aufgrund der angefallenen Arbeit entstanden sind.

In Abbildung 2 sind die drei Kostenwerte als Kurven zum 30.06.2008 eingezeichnet (siehe Bsp. Template).

 

Die ursprünglich geplanten Gesamtkosten (Budget at complete, BAC) geben die erwarteten Kosten für das gesamte Projekt wieder und werden im Projektstrukturplan errechnet. Aus den monatlichen Werten für die erwarteten Kosten entsteht durch Aufkumulieren die Performance Management Baseline Kurve. [23]  In diesem Beispiel beträgt das BAC = 339.000 Euro (siehe Template).

Außerdem findet man in dem Projektstrukturplanplan den ursprünglichen Fertigstellungszeitpunkt (Time at Completion, TAC), d.h. den Zeitpunkt, an dem das geplante Projektende stehen sollte. [24]

Anhand dieser Daten können verschiedene Abweichungen errechnet werden:

  • Kostenabweichung (Fertigstellungswertmethode)
  • Terminplanabweichung (Fertigstellungswertmethode)
  • Terminplanabweichung in Zeitangaben (Fertigstellungswertmethode)
  • Variance at Completion (Fertigstellungswertmethode)

Außerdem können die Verhältnisse zwischen den einzelnen Zahlen ermittelt werden. Dazu dienen zum einen der Kostenentwicklungsindex und zum anderen der Terminentwicklungsindex.

Um Angaben über den erwarteten, weiteren Projektablauf machen zu können, benötigt man folgende Kennzahlen:

  • Erwartete Gesamtkosten zum aktuellen Zeitpunkt
  • Erwartete Restkosten zum aktuellen Zeitpunkt
  • To Complete Performance Index
  • Revidierter Fertigstellungszeitpunkt

6. Quellenverzeichnis

  • [1] Fiedler, R.: Controlling von Projekten: Mit konkreten Beispielen aus der Unternehmenspraxis – Alle Aspekte der Projektplanung, Projektsteuerung und Projektkontrolle, 4. Aufl., Wiesbaden, 2008, S. 155
  • [2] Füting, U. C., Hahn, I.: Projektcontrolling leicht gemacht. Wie hält man Kosten und Termine ein?, 1. Aufl., Frankfurt, 2005, S. 141
  • [3] Vgl. Stratton, R.W.: The Earned Value Management Maturity Model, 1. Aufl., Wien, 2006, S. 6
  • [4]Gadatsch, A.: Grundkurs IT-Projektcontrolling, Grundlagen, Methoden und Werkzeuge für Studierende und Praktiker, 1. Aufl., Wiesbaden, 2008, S. 92
  • [5]Fiedler, R.: Controlling von Projekten: Mit konkreten Beispielen aus der Unternehmenspraxis – Alle Aspekte der Projektplanung, Projektsteuerung und Projektkontrolle, 4. Aufl., Wiesbaden, 2008, S.198
  • [6] Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S. 27-29
  • [7] Vgl. Schels, I.: Projektmanagement mit Excel 2007: Projekte budgetieren, planen und steuern, 1. Aufl., München, 2008, S. 323
  • [8] Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S. 29-32
  • [9] Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S. 37
  • [11] Vgl. www.pmqs.de/library/prozessgruppen/magischesdreieck.gif
  • [12] Vgl. Stratton, R.W.: The Earned Value Management Maturity Model, 1. Aufl., Wien, 2006, S. 44
  • [13] Vgl. Schwarze, J.: Projektmanagement mit Netzplantechnik, Aufl. 9, Berlin, 2006, S. 16
  • [14] Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S. 3
  • [15] Vgl. Fiedler, R.: Controlling von Projekten: Mit konkreten Beispielen aus der Unternehmenspraxis – Alle Aspekte der Projektplanung, Projektsteuerung und Projektkontrolle, 4. Aufl., Wiesbaden, 2008, S.207-208
  • [16] Vgl. Stratton, R.W.: The Earned Value Management Maturity Model, 1. Aufl., Wien, 2006, S. 48
  • [17]Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S. 10-12
  • [18]Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S.19/20
  • [19]Vgl. Stratton, R.W.: The Earned Value Management Maturity Model, 1. Aufl., Wien, 2006, S. 10
  • [20]Vgl. Stratton, R.W.: The Earned Value Management Maturity Model, 1. Aufl., Wien, 2006, S.11
  • [21]Vgl. Schels, I.: Projektmanagement mit Excel 2007: Projekte budgetieren, planen und steuern, 1. Aufl., München, 2008, S.326,
  • [22] Vgl. Fleming, Q.W., Koppelman, J. M.: Earned Value Project Management, Aufl. 3, 2006, S.6
  • [23]Vgl. Stratton, R.W.: The Earned Value Management Maturity Model, 1. Aufl., Wien, 2006, S. 11-13
  • [24]Vgl. Kor, A.: Projektmanagement mit Earned-Value-Kennzahlen, in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 5, Hamburg, 2004, S. 632

Verfasser: Angela Bischoff